Zum Hauptinhalt springen

Geschichte

Wir haben unsere Geschichte wiederentdeckt! Seit einigen Jahren gehören historische Tage zum Ablauf jeder bedeutsamen Jubiläumsveranstaltung! Dörfer und Städte rühmen sich ihrer ersten urkundlichen Erwähnung. Keine Gemeinde möchte zurückstehen, wenn es darum geht, wertvolle alte Gebäude zu restaurieren und damit den Anspruch auf ihre besondere Vergangenheit zu unterstreichen. Mit Stolz werden die Zeugnisse früherer Tage in Sonderausstellungen präsentiert, werden in jahrelanger Kleinarbeit Beiträge zu Heimatbüchern zusammengetragen.

Das ist mehr als "Nostalgie"; es ist das natürliche Bedürfnis des Menschen, am Wissen um die Vergangenheit die Gegenwart besser zu verstehen. Es würde jedoch den Rahmen sprengen, sollte an dieser Stelle eine möglichst lückenlose Darstellung der bemerkenswerten Ereignisse und Veränderungen unser Dorfgeschichte veröffentlicht werden. Vielmehr soll die Aufmerksamkeit auf die Vor- und Frühgeschichte unserer Gemeinde gelenkt werden, insbesondere auf die archäologischen Funde der Nachkriegszeit. Sie sind nur in bescheidenem Maße in das Bewußtsein mancher Dorfbewohner eingegangen. Dabei hätten sie verdient, einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt zu werden, beweisen sie doch, dass sich gerade in Winterbach eine sehr frühe Besiedlung nachweisen lässt.

Nicht die zeitliche Folge der Auffindung verschiedener Überreste soll dabei im Vordergrund stehen, sondern ihre Einordnung in den allgemeinen geschichtlichen Ablauf.


MAHLSTEIN AUS DER SPÄTEN HALLSTATTZEIT

Einen Mahlstein aus der späten Hallstattzeit 1948 fand der Bergmann Peter Britz am Rande des Weges zum heutigen Hundedressurplatz einen auffallend geformten Stein, der seine Aufmerksamkeit erregte. Er glaubte, ein steinernes Schiffchen - von Menschenhand kunstvoll geformt - in seinen Händen zu halten. Das „Schiffchen“ fand einen Platz im Steingarten seines Sohnes Hermann in der Wellwiesstraße. Jahre später erkannte ein Besucher des Hauses die besondere Bedeutung des Steines und informierte das Landeskonservatoramt. „Ein Jahrhundertfund!“, so lautete das erste Urteil von Landeskonservator Dr. Koiling: Es ist ein bootsförmiger Reibstein der späten Hallstattzeit, 60 cm lang, gearbeitet aus heimischem Sandstein. (Hallstattzeit: etwa 750 - 450 v. Chr., benannt nach dem österr. Hallstatt, Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit)

Mahlsteine dieser Art sind äußerst selten, viel seltener als die in den nachfolgenden Jahrhunderten in der Vordereifel industriemäßig hergestellten Reibsteine aus Basaltlava, die so genannten „Napoleonshüte“. Der Reibstein vom Allenwald ist das einzige völlig erhaltene Fundstück der Hallstattzeit im Saarland.
 

BOOTSFÖRMIGER REIBSTEIN VOM ALLENWALD

Die Arbeit mit dem Stein müssen wir uns so vorstellen: Die kielförmige Unterseite des Mahlstein wurde in die Erde gedrückt und gab dem Stein einen festen Halt. Auf die ebene leicht poröse Oberseite wurden Körner gestreut und mittels eines flachen oder walzenförmigen kleineren Steines durch Hin- und Herreiben zerkleinert. Das grobe Mehl - leicht mit abgeriebenen Sandkörnern durchsetzt - eignete sich zum Backen von Vollkornbrot.

Ob der Mahlstein vom Allenwald überhaupt zum Bereiten von Mehl benutzt wurde, erscheint zweifelhaft. Seine Oberfläche zeigt keinerlei Gebrauchsspuren. Wahrscheinlich diente er nur kultischen Zwecken.

Das Auffinden eines Mahlsteines deutet auf eine Siedlung in der Nähe des Fundortes hin. Wir dürfen davon ausgehen, dass das Grabhügelfeld am Nordrande des Allenwaldes im Zusammenhang mit dem Mahlstein gesehen werden muss. Die Mehrzahl dieser Hügel wurde in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts von St. Wendeler Studienräten nur laienhaft ausgegraben.

Die trichterförmigen Vertiefungen in den Hügeln sind noch heute deutlich erkennbar. Über den Verbleib der Fundstücke wissen wir nichts. Ein umfangreicher, stark verschliffener Grabhügel birgt sicherlich noch einige Überraschungen.
 

GRABHÜGELFELDER DER LA-TÈNE-ZEIT

Es ist zu vermuten, dass unsere Heimat zumindest seit Beginn der späten Hallstattzeit (also um 500 vor Chr.) kontinuierlich besiedelt war. Grabhügelfelder in unmittelbarer Nähe des Gemeindebannes von Winterbach weisen auf eine relativ dichte Besiedlung unserer Heimat während der nachfolgenden La-Tène-Zeit hin: im Bliesenerwald, auf der Rheinstraße, am Weg zur Habenichts. Auch auf dem Steinberg glaubt der Landeskonservator einige Grabhügel gefunden zu haben.

(La-Tène-Zeit, etwa 450-50 vor Christus, benannt nach dem Fundort La Tène in der Schweiz). Erst vor wenigen Jahren wurde ein weiteres umfangreiches Grabhügelfeld auf dem Hammelsberg an der Grenze zum Marpinger Bann entdeckt.

Unsere Heimat gehörte während der Hallstatt- und der La-Tène-Zeit einem eigenständigen Kulturkreis an, der aufgrund seiner räumlichen Ausdehnung in der Archälogie unter dem Namen „Hunsrück-Eifel-Kultur“ bekannt ist. Erlesene Schmuckstücke dieser Epoche – meist von einheimischen Künstlern gefertigt oder aus Etrurien eingeführt – wurden auf der Gemarkung von Winterbach bis jetzt nicht gefunden. Man denke nur an die Goldschale von Schwarzenbach!
 

KELTISCHE GRÄBER IN DER SEITERS

Von griechischen Schriftstellern wissen wir, dass die Kelten die Träger der La-Tène-Kultur und somit auch der „Hunsrück-Eifel-Kultur“ waren. Kelten waren es auch, die ihre Toten in der Seiters an dem zum Worrach hin leicht abfallenden Südhang begruben. Der Name dieses Baches, der Worrach, dürfte eines der wenigen noch erhaltenen keltischen Wörter unserer Heimat sein; „ach“ bezeichnet einen Wasserlauf.

Es muss ein größeres Gräberfeld gewesen sein, das hier lag. Wiederholt wurden bei Gartenarbeiten Keramikscherben von Grabbeigaben gefunden. 1950 sah ein Volksschüler zufällig mit an, wie ein völlig erhaltenes Gefäß unter der Hacke eines Bauarbeiters zerstört wurde. Interessierte Bürger informierten Studienrat Hannig aus St. Wendel, der im Einvernehmen mit dem damaligen Landeskonservator Dr. Keller drei Gymnasiasten unseres Dorfes damit beauftragte, exakte Sondierungen vorzunehmen. Nach tagelangen vergeblichen Untersuchungen fanden sie schließlich in einer Tiefe von ungefähr 50 Zentimeter Scherben von größeren Gefäßen. Leider wurden diese Bruchstücke sowie die schon genannten Streuscherben aus früheren Jahren bis heute nicht wissenschaftlich untersucht, und so ist es nicht möglich, sie zeitlich genau einzuordnen. Durch das Auffinden der großen Scherben neugierig geworden, entdeckten die Schüler in größerer Tiefe die Steinpackung eines völlig ungestörten Grabes. Etwa 150 Zentimeter unter der heutigen Erdoberfläche standen vier wohl erhaltene Gefäße: ein flacher Teller, ein bauchiger Topf, ein Henkelkrug sowie eine sogenannte Flasche, alle aus rotem Ton. Die durch die Verbrennung kalzinierten Knochenreste und Asche lagen zerstreut zwischen den Gefäßen. Die gefundenen Reste von Nägeln könnten von der ebenfalls verbrannten Bahre stammen. In Schachteln verpackt, lagern Grabinventar und Streufunde noch immer auf dem Dachboden des Museums für Vor- und Frühgeschichte in Saarbrücken. Sie sollten endlich restauriert und damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden!

Nach Dr. Keller wurde das Grab in frühaugusteischer Zeit, also um Christi Geburt angelegt (Augustus: 31 vor - 14 nach Christus). Es mag das Grab einer Magd gewesen sein. die auf dem nahegelegenen Hof eines vornehmen Kelten in Dienst stand. Teile einer bronzenen Gewandnadel und die geringe Zahl der Grabbeigaben deuten auf das Grab einer einfachen Frau hin.
 

RÖMISCHE VILLEN AUF DER MECHERS UND VOR DEM ALLENWALD

Als die keltischen Treverer (so hieß der keltische Stamm, der damals das nördliche Saarland bewohnte) ihre Toten in der Seiters begruben. hatten die Römer unter Caesar unsere Heimat längst unterworfen. Die neu entstehende gallo-römische Kultur brachte Ordnung und Wohlstand im Schutze der pax romana ‚des Römischen Friedens.

Auch auf der Gemarkung von Winterbach entstanden an sonnigen Hängen ausgedehnte Villenanlagen (Beispiel: Villa Borg bei Nennig), die dem Vicus Wareswald in der Nähe des Schaumberges zugeordnet waren. Auf der Mechers wurden immer wieder Funde aus römischer Zeit gemacht: Ziegel. Gefäßscherben, behauene Steine. Als Heinrich Wagner in den 60er Jahren daranging in seinem Garten einen Teich auszubaggern, stieß er auf die Fundamente eines römischen Gebäudes. Straßen und Gärten lassen leider eine systematische Ausgrabung nicht zu. Auch hier gibt ein Sprachrelikt einen deutlichen Hinweis auf die frühere Besiedlung: Mechers kommt von dem lateinischen Wort maceria, „Einfriedung“ oder „Mauer“.

Eine andere römerzeitliche Villa stand westlich des Allenwaldes. Sie wurde 1829 teilweise ausgegraben Die in der Nahe gefundenen gläsernen Urnen sowie ein goldener Fingerring sind verschollen. Diese Siedlungsstelle liegt nur etwa 200 Meter von den schon genannten hallstattzeitlichen Gräbern vor dem Allenwald entfernt. Als vor einigen Jahren dort ein neuer Pflanzgarten angelegt wurde, schnitt die Planierraupe einen der Grabhügel an und förderte eine große Zahl von Gefäßscherben aus römischer Zeit zutage. Haben die Bewohner der Villa vom Allenwald ihre Toten auf diesem alten Friedhof bestattet? Stand vielleicht eine weitere noch nicht bekannte Villa im Innern des Waldes? Nachbestattungen in alten Gräbern deuten in aller Regel auf eine Besiedlung über viele Jahrhunderte hin.

 

VON RALF BACKES, HEIMATFREUNDE WINTERBACH