Die Geschichte der Heiligen Familie Winterbach
von Arnold Recktenwald
Wer von Winterbach ein Foto macht oder ein Bild malt, wird – egal von welcher Perspektive er ausgeht – sicher die Kirche mit im Bild ehaben, denn sie ist der unübersehbare Mittelpunkt dieser Gemeinde, um den sich die übrigen Häuser wie die Kücken um die Glucke scharen. Ein vertrautes Bild für die meisten Winterbacher unserer Tage; denn die Bürger, die Winterbach noch kennen ohne diese Kirche, werden von Jahr zu Jahr weniger. Es sind nun doch immerhin 80 Jahre her, daß im Jahres 1905 mit dem Bau dieser Kirche begonnen wurde. Vorausgegangen war eine bittere Enttäuschung: der Kirchenbau, der schon 1899 in Angriff genommen und bis auf eine Turmhöhe von 16 Metern, einschließlich des Kirchenschiffest, im Rohbau erstellt war, stürzte anfangs 1900 über Nacht ein.
Vier Jahre wurde gegen den Bauunternehmer Georg Rau aus St. Johann ein Prozess geführt und von den Winterbachern gewonnen, ehe man den Mut und die Mittel hatte, die jetzige Kirche – größer und schöner als die erste – zu bauen. Es war sicher ein Tag besonderer Freude, als am Fest „Mariä Geburt“ – am 8. September 1906 – die neue Kirche mit einer „ersten Kirchweihmesse“ in Dienst genommen wurde. Winterbach hatte damit nicht nur einen baulichen und religiösen Mittelpunkt erhalten, für unsere Vorfahren war eine große Erleichterung geschaffen, denn bis dahin mußten sie an allen Sonn- und Feiertagen bei Wind und Wetter zu den Gottesdiensten nach Alsweiler. Winterbach gehörte als Filiale zum Pfarrbezirk Alsweiler, seit diese Gemeinde um 1800 selbständige Pfarrei geworden war. Bis dahin gehörten beide Orte zum Kloster Tholey, das infolge der französischen Revolution aufgelöst wurde, d. h. bis zu diesem Zeitpunkt mußten unsere Vorfahren zu den Gottesdiensten nach Tholey gehen, was sicher im Winter und bei schlechtem Wetter eine große Strapaze war. Mit der Errichtung einer eigenen Pfarrei aus den Gemeinden Alsweiler und Winterbach war für regelmäßige Sonntagsgottesdienste die vorhandene Kapelle in Alsweiler zu klein. Sie wurde 1803 abgebrochen. An den verbliebenen Turm wurde ein neues Langhaus angebaut, das etwa 270 Personen Platz bot (16 x 7,5 m). Immerhin war mit der Errichtung dieser Seelsorgstelle (ein Pfarrhaus kam zur Kirche) der Weg zu den sonntäglichen Gottesdiensten für die Winterbacher Einwohner um die Hälfte kürzer. Als dann 1826 in Alsweiler Pläne gemacht wurden für den Neubau einer größeren Kirche, bemühten sich die Winterbacher Pfarrangehörigen in wiederholten Eingaben an die damaligen Regierungsstellen, diese neue Alsweiler Kirche aus dem Ort hinaus in Richtung Winterbach zu bauen, neben den heutigen Friedhof von Alsweiler; damit wollte man den „Kirchweg“ wieder um einige hundert Meter verkürzen, was aber nicht glückte, weil die Alsweiler „die Kirche unbedingt im Ort“ behalten wollten. Am 15. Mai 1829 war dann die feierliche Grundsteinlegung zur heutigen Alsweiler Kirche, die auch Seelsorgezentrum für die Winterbacher war, die immerhin ein Drittel der Baukosten für Kirche, Pfarrhaus und Küsterwohnung aufbringen mußten. Diese Kosten wurden zum Teil gedeckt durch einen größeren Eichenholeinschlag in Alllewald, der extra genehmigt werden mußte.
des Kriegerehrenmals für die Gefallenen des 1. Weltkrieges. |
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Für bestimmte Gottesdienste hatten die Winterbacher eine eigene Kapelle, gegenüber der heutigen Kirche, neben dem Haus Simon/Morsch. In dieser Kapelle versammelten sich die Winterbacher zum gemeinsamen Rosenkranzgebet an den Sonn- und Feiertagen, wo man fünf „Vater unser“ anhängte für eine Magd aus dem Ort, die ihre ganzen Lebensersparnisse gestiftet hatte, damit das Dach dieser Kapelle bei Baufälligkeit erneuert werden konnte.
Am 2. Juli 1895 befaßten sich die Gemeindevertreter mit dem Problem eines Kapellen-Neubaues. Das Trierer Generalvikariat hatte mit einem Schreiben vom 15. Mai 1895 den Anstoß gegeben, aus dem mittlerweile auf über 800 Seelen angewachsenen Ort eine Filialgemeinde mit eingener Vermögensverwaltung zu bilden, was dann ein Jahr später verwirklicht wurde. Die erste Stiftung waren 300 Mark für ein jährliches Seelenamt. Am 19. Januar 1897 fand die erste Versammlung des neuen Kirchenvorstandes unter Vorsitz des Pfarrers Theis aus Alsweiler statt. In dieser Sitzung wurde der Bau einer eigenen Kirche in Winterbach erörtert. Drei Vorschläge gab es für den Standort: „Im Bungert“ (Anwesen J. Klein, Ecke Wellwiesstraße), in den Gärten des Oberdorfes und der jetzige Standort, der als Bauplatz zum Preis von 5.400,00 Mark angekauft wurde, wo dann im Jahre 1899 mit dem Kirchenbau begonnen wurde.
Als die Kirche vollendet war, bekam Winterbach mit Herrn Vikar Meckel einen eigenen Seelsorger, und – nachdem für die Kirche noch Glocken und eine Turmuhr beschafft waren – auch ein eigenes Pfarrhaus im Jahre 1911/12 – an der Stelle der alten Kapelle, die 1904 abgerissen worden war. Am 14. Oktober 1917 folgte auf Vikar Meckel der 10 Jahre in Winterbach gewirkt hatte und nun als Pastor nach Traben-Trabach ernannt wurde, der bisherige Kaplan von Linz a. Rh. Herr Matthias Willems als zweiter Geistlicher, zunächst als Vikar, ab 1.11.1924 als Pfarrer in Winterbach. Die Pfarrei zählte damals etwas 1250 Seelen, die manche spürbaren Opfer erbrachten, um ihre Kirche gut auszustatten. Beschaffung von Glocken, Ausmalung der Kirche (1924), Kirchenheizung, Anschaffung einer Orgel (1934), Bau eines Kriegerehrenmals vor der Kirche. Zweimal wurden in den vergangenen Kriegen die Glocken weggenommen und später wieder neu angeschafft; lediglich das Glöcklein der ehemaligen Kapelle verblieb im Ort und hängt heute – als Geschenk der Pfarrgemeinde Winterbach – im Turm der Kapelle auf der Rheinstraße. Pastor Matthias Willems war 37 Jahre Seelsorger der Gemeinde Winterbach bis zu seinem Tod am 12.3.1954. Sein Nachfolger war Pastor Berens, der das Dach der Kirche erneuern mußte, ein Pfarrheim und einen pfarreigenen Kindergarten baute. Renoviert wurde dann die Kirche von seinem Nachfolger Pastor Schumacher, der von Oktober 1972 bis zu seinem Tod am 19.1.1981 hier wirkte. Er ließ das alte Pfarrhaus zugunsten einer Straßenverbreiterung in der unübersichtlichen Kurve an der Kirche abreißen und ein neues bauen am Ende der Poststraße.
Mit dem Tod von Pastor Schumacher scheint ein Stück „Selbständigkeit“ der Pfarrei Winterbach vorläufig zu Ende gegangen zu sein; denn Winterbach bekam mit Pastor Stefanski von St Wendel-St. Anna einen Pfarrverwalter (später Pfarrer von beiden Pfarreien), dem jeweils ein Vikar mit Sitz in Winterbach zugeteilt wurde. Derzeitiger Vikar ist Otmar Mentgen.
Nach heutigen Plänen des Generalvikariates Trier soll Winterbach bei einer Neubesetzung von Alsweiler vom dortigen Pastor mitverwaltet und seelsorgerisch betreut werden. Damit würde sich dann innerhalb von 100 Jahren quasi ein Kreis schließen: die Tochter kehrt wieder zur Mutter zurück, allerdings nicht in Abhängigkeit von der Nachbarpfarrei, sondern in einem gleichwertigen Miteinander unter einem gemeinsamen Pfarrer, denn die „Tochtergemeinde“ Winterbach ist erwachsenen geworden und möchte ihre Selbständigkeit sowie wie möglich erhalten.
Auszug aus dem Winterbacher Heimatbuch 1985